Alina Herbing: Niemand ist bei den Kälbern

„Nur, wenn man zu langsam fährt, bleibt man stecken“

Eigentlich bin ich immer sehr gespannt auf die Debütromane neuer, junger Autoren und das Konzept eines Anti-Heimatromans aus Schattin in Mecklenburg klang verlockend für mich. Dass Niemand ist bei den Kälbern der 1984 geborenen Autorin Alina Herbing dann doch überhaupt nicht mein Buch war, liegt vor allem daran, dass ich keinerlei Empathie für die Protagonistin aufbringen konnte, deren enervierendes Gejammer und Selbstmitleid mich mit zunehmender Seitenzahl mehr abgestoßen hat, an der sehr flachen, oft ordinären Sprache und daran, dass ich mir trotz aller schwerwiegenden Probleme in einer strukturschwachen Region nicht vorstellen kann, dass die Menschen dort nahezu durchweg antriebsschwach, kriminell, dem Alkohol verfallen, gewalttätig  und vereinsamt sind.

Dabei ist mir durchaus bewusst, dass die Ich-Erzählerin Christin, Anfang 20, es mit der durchgebrannten Mutter, dem im Dorf als Ex-Stasi-Mann geächteten, zum verwahrlosten Säufer verkommen Vater und der wegen Insolvenz des Salons abgebrochenen Friseurlehre schwer hat. Als Kind hat sie davon geträumt, mit 18 auf High Heels über den Berliner Asphalt zu stöckeln, stattdessen ist sie auf einen überschuldeten Milchviehbetrieb zu ihrem Freund Jan gezogen, der ihre Sachen durchsucht und ihr Handy filzt. Im Gegenzug bringt sie keinerlei Interesse für seinen Kampf gegen die bedrohlich niedrigen Milchpreise und die Windräder auf, lügt, betrügt und drückt sich um die verhasste, da eklige Arbeit im Kuhstall. Anstatt ihre Zukunft beherzt in beide Hände zu nehmen, einen Ausweg aus der für sie trostlosen Dorfperspektive zu suchen, lässt sie sich auf gewalttätigen Sex mit einem verheirateten Mann ein, nur weil der ein Hamburger Autokennzeichen hat, wird zunehmend gewalttätig gegen unschuldige Tiere, trinkt mehr und mehr und spielt nicht nur im übertragenen Sinn mit dem Feuer.

„Nur, wenn man zu langsam fährt, bleibt man stecken“, heißt es am Ende des Romans. Christin, so schien es mir, fährt überhaupt nicht, sie lässt sich planlos treiben, was mir entschieden gegen den Strich geht. Ob sie es jemals aus Schattin herausschafft, bleibt am Ende offen. Leider ist es mir aber auch ziemlich egal.

Alina Herbing: Niemand ist bei den Kälbern. Arche 2017
www.arche-verlag.com

Schreib einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert